Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Gefahrenabwehr: nein zu Vogelspinnen
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Az.: 16 K 2862/21) hatte sich mit der Haltung gefährlicher Tiere zu befassen. Der terraristisch erfahrene Kläger beabsichtigte, sich ein Paar Ornamentvogelspinnen (Poecilotheria metallica) anzuschaffen, was aber nach dem nordrhein-westfälischen Gifttiergesetz verboten (und sogar eine Straftat) ist. Die zuständige Behörde teilte ihm mit, dies sei nicht genehmigungsfähig. Der Kläger erhob Feststellungsklage mit dem Ziel, gerichtlich feststellen zu lassen, dass er zur Haltung der Tiere berechtigt sei. Hiermit scheiterte er vor dem Verwaltungsgericht. Dieses ging zwar davon aus, dass die Klage zulässig sei, der Kläger begehre die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses. Allerdings wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Verbot der Haltung gefährlicher Tiere sei eindeutig und umfassend geregelt, die gesetzlichen Ausnahmen (Haltungserlaubnis für Zoos, andere Einrichtungen sowie Altbestände) seien nicht einschlägig.
Der Rechtsstreit sei auch nicht unter verfassungsrechtlichen Bedenken auszusetzen. Das würde bedeuten: Nach Art. 100 GG muss ein Gericht, wenn es ein entscheidungserhebliches Gesetz – z. B. wegen der Verletzung von Eigentumsrechten oder dem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit – für verfassungswidrig hält, den Rechtsstreit aussetzen und die entscheidenden Rechtsfragen dem Bundesverfassungsgericht oder (bei Verletzung der Landesverfassung) dem zuständigen Landesverfassungsgericht vorlegen. Dies wurde hier nicht als notwendig erachtet: Das Gericht ging nicht davon aus, dass das nordrhein-westfälische Gefahrtiergesetz verfassungswidrig sein könnte. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Artikels 2 GG sei dadurch zwar eingeschränkt, dies sei aber hinsichtlich des Schutzgutes „Vermeidung von Gefahren für die Allgemeinheit“ hinzunehmen. Gerade vom Biss von Vogelspinnen könnten erhebliche Gesundheitsschäden für den Menschen ausgehen. Auch die Tatsache, dass andere Bundesländer die Gattung nicht mehr als gefährlich auflisten (z. B. Hessen seit 2011), sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Auch wenn die Zahl von Beißvorfällen durch Vogelspinnen verschwindend gering sei, sei es nicht abwegig, durch Erlass einer entsprechenden gesetzlichen Regelung tätig zu werden. Das vorbeugende Haltungsverbot für die im Gesetz aufgeführten Arten sei zur präventiven Gefahrenabwehr geeignet. Die Gefahr sei größer als bei Hunden: Diese seien im Gegensatz zu Spinnen durchaus erziehbar, und Spinnen ließen sich nach einem Ausbruch kaum noch lokalisieren, sodass die Gefahr bestehen bleibe.
Im Übrigen sei das Verbot der „Neuhaltung“ (im Gegensatz zu Altbeständen) gefährlicher Tierarten auch erforderlich: Mildere Mittel, z.B. strikte Kontrollen der Haltungen auf Sicherheit und Kontrollen der Halter auf Sachkunde und Zuverlässigkeit, seien nicht ersichtlich. Das vollständige Verbot von Neuhaltungen sei auch nicht unverhältnismäßig. Zwar sei damit ein starker Eingriff in die Handlungsfreiheit gegeben, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr wiege aber schwerer. Ebenso wenig könne sich der Kläger auf Artikel 5 GG (Wissenschaftsfreiheit) berufen. Selbst wenn dies ginge, dürfe man sich nicht unter Bezugnahme auf die Wissenschaftsfreiheit über das Recht der Mitbürger auf Leben und Gesundheit hinwegsetzen. Einen Anspruch auf Feststellung, dass er die Spinnen halten dürfe, habe der Kläger daher nicht.
Dietrich Rössel, Königstein
Nachbars Liebling
Wieder einmal hat die Katze in Nachbars Garten ein Gericht beschäftigt: Das AG Ahrensburg (Az.: 49b 505/21) wies die Klage einer Nachbarin ab, die sich gegen die Katze einer (nicht direkten) Nachbarin auf ihrem Grundstück wehren wollte: In einer Wohnhaussiedlung müsse jedenfalls eine Katze geduldet werden, anderenfalls könne nämlich die Klägerin der gesamten Nachbarschaft aufzwingen, dass diese ihre Katzen nur noch als „Stubenkatzen“ oder ständig angeleint halten dürfe. Wer im Übrigen Speisen offen stehen lasse und die Terrassentür nicht schließe, der provoziere, dass fremde Katzen ins Haus kämen.
Auch die von der Klägerseite behaupteten Verschmutzungen durch Katzenkot und die angebliche Beschädigung ihrer Gartenmöbel halfen ihr nicht weiter, da insoweit ein etwaiger Unterlassungsanspruch daran scheiterte, dass die Klägerseite die Verursachung gerade durch die Katze der Beklagten nicht nachweisen konnte.
Dietrich Rössel, Königstein
Der Gartenteich im Außenbereich
Mit Beschluss vom 23.05.2022 (Az.: M 1 S 21.2155) hat das VG München sich mit einem Gartenteich befasst, der im Außenbereich angelegt worden war und in dem sich u. a. invasive Pflanzenarten befanden. Im Außenbereich (§ 35 BauGB) ist das Bauen nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Das gilt nicht nur für Häuser und Hütten, sondern auch für das Anlegen von Teichen. Bauliche Anlagen sind insbesondere dann zulässig, wenn das Bauvorhaben einem land- oder fortwirtschaftlichen Betrieb oder einem „Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung“ dient. Die weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens finden Sie hier: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__35.html
Die Klägerin plante einen Imkereibetrieb – auf dem Grundstück befand sich u. a. ein Gartenteich, der relativ steile Ufer hatte (und damit für Kleintiere bedenklich war) und in dem sich invasive Pflanzenarten befanden. Der Versuch der Klägerin, sich gegen die Beseitigungsverfügung (betreffend andere bauliche Anlagen und auch den Teich) zu wenden, scheiterte. Bezüglich des Gartenteiches hielt das Gericht fest, dass die Anlage nicht der in § 35 BauGB genannten Nutzung diene und „der Landschaft wesensfremd“ sei. Die Naturschutzbehörde hatte zusätzlich auf ihre Bedenken hingewiesen, weil der Teich invasive Pflanzenarten beinhaltete und weil seine steilen Ufer geeignet waren, Kleintiere zu gefährden. Darauf kam es nach Auffassung des Gerichts aber nicht mehr an.
Auch die Anlage eines einfachen Teichs im Außengebiet ist daher rechtlich sehr problematisch!
Dietrich Rössel, Königstein
Tierhaltung in der Eigentumswohnung
Das AG Konstanz (Az.: 4 C 397/21 WEG) gab einem Tierhalter Recht, der ein generelles Haltungsverbot von Haustieren nicht akzeptierte. Der Wohnungseigentümer sollte seinen im Frühjahr 2021 angeschafften Hund, der ausschließlich normales Hundeverhalten an den Tag legte, abschaffen. In der Gemeinschaftsordnung gab es hierzu folgende Regelung: „Haustierhaltung ist – soweit rechtlich zulässig – ausgeschlossen“.
Das Gericht gab dem Hundehalter recht und verneinte einen Anspruch der Gemeinschaft auf Untersagung der Hundehaltung. Die Regelung sei zu unbestimmt. Weder sei klar, was genau mit „Haustierhaltung“ gemeint sei, noch könne ein generelles Haustierverbot hingenommen werden, da die Haustierhaltung zum Kernbereich der Rechte eines Wohnungseigentümers gehöre. Ein so weitreichendes Verbot verstoße daher gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Nur mit einem sachlichen Grund könne ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen werden.
Dietrich Rössel, Königstein
Wenn der Vermieter klingelt
Das AG Alsfeld (Az.: 30 C 73/20 (72)) hat einem Vermieter Recht gegeben, der gegenüber seinem Mieter eine Besichtigung der vermieteten Wohnung beanspruchte. Grundsätzlich bestehe ein solcher Anspruch auf Betreten und Besichtigen einer Wohnung durch den Vermieter nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes. Da die Wohnung ein verfassungsrechtlich geschützter Rückzugsraum ist, sei der Vermieter zur „schonenden Rechtsausübung“ gehalten. Eine Tierhaltung, die Anhaltspunkte für eine vertragswidrige Nutzung der gemieteten Wohnung gebe, sei aber ein ausreichender Grund für den Vermieter, ein Besichtigungsrecht geltend zu machen.
Im konkreten Fall ging es um die Haltung von insgesamt fünf Hunden. Es bestanden zwar Indizien dafür, dass der Vermieter drei davon entweder aufgrund langen Wissens um die Tierhaltung duldete oder aber sie hätte genehmigen müssen (einer der Hunde war ein Therapiehund), bezüglich zweier weiterer Hunde, die der Vermieter weder geduldet noch genehmigt habe, sei aber eine vertragswidrige Nutzung der Wohnung jedenfalls naheliegend: Daher bestehe ein Besichtigungsrecht des Vermieters.
Auch vorhergehende Besichtigungen aus anderem Anlass seien nicht geeignet, das Besichtigungsrecht des Vermieters aus Anlass der Tierhaltung auszuschließen.
Dietrich Rössel, Königstein