Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Kaufrecht beim Tier: Wie ist das eigentlich mit der Arglist?
Wer eine Sache oder ein Tier verkauft, hat in der Regel für den mangelfreien Zustand der Kaufsache einzustehen. Bei einem lebenden Tier – das wurde schon in zahlreichen Urteilen festgestellt – kann kein „perfektes Exemplar“ verlangt werden, und auch die denkbare Möglichkeit, dass sich beim zum Zeitpunkt der Übergabe „mangelfreien“ Tier im Lauf der Jahre eine Situation entwickelt, die als Krankheitsbild gewertet werden kann, wird in der Regel nicht als Mangel angesehen.
Der Käufer kann zunächst Nacherfüllung verlangen – also entweder Ersatzlieferung oder Nachbesserung an der Kauf-„Sache“; schlägt diese zwei Mal fehl, besteht die Möglichkeit der Kaufpreisminderung oder des Rücktritts. Schadensersatz kann hingegen nur gefordert werden, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt, insbesondere also dem Käufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat.
Das „Wann“ dieses Verschweigens kann eine Rolle spielen! Ein Fall aus der Praxis: Die Käuferin schloss mit einem gewerblichen Züchter (der also jedenfalls die Gewährleistung nicht ausschließen konnte) einen Kaufvertrag über einen Hund, an dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – wenige Wochen nach der Geburt – noch keine Mängel erkennbar waren. Der Hund blieb allerdings noch einige weitere Wochen beim Verkäufer; in diesem Zeitraum entwickelte sich eine massive Fehlstellung des Unterkiefers, die für die Käuferin nicht zu erkennen war (wäre dieser Mangel auf den ersten Blick zu sehen gewesen, wäre es einem Käufer schwergefallen, sich auf Arglist zu berufen). Der Verkäufer übergab das Tier im Wissen um dessen gesundheitliche Problematik; der Käuferin entstanden hohe Tierarztkosten. Auch war der Hund damit nicht zuchttauglich und somit wesentlich im Wert gemindert.
Der Verkäufer bestritt zunächst jede Arglist, allerdings hatte er der Käuferin Papiere nachgereicht, aus denen sich der Mangel ergab. Damit wäre es nach Auffassung des Verfassers ohne weiteres möglich gewesen, die gesamten Tierarztkosten zu verlangen. Der Verkäufer wäre nämlich verpflichtet gewesen, diesen Mangel vor der Übergabe anzugeben und der Käuferin die Rückabwicklung des Vertrags anzubieten. Sein Schweigen ist daher als Arglist einzustufen, das den weitergehenden Schadensersatzanspruch der Käuferin auslöste.
Der Fall zeigt, wie wichtig eine Rechtsschutzversicherung ist: Da die Käuferin eine solche nicht hatte und der Verkäufer nicht bereit war, die vollen Tierarztkosten sowie die Wertminderung zu bezahlen, scheute sie die Kosten für eine Klage, die gerade durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten schnell mehrere tausend Euro verschlingt. Immerhin konnte außergerichtlich eine akzeptable Vergleichszahlung erzielt werden.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Wieder einmal: Mietrecht
Mit Beschluss vom 30.01.2018 (Az.: VIII ZB 57/16) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Problematik befasst, ob ein Rechtsstreit um die Genehmigung der Heimtierhaltung in einer Mietwohnung berufungsfähig ist. Die Antwort ist, wie so oft: „Es kommt darauf an ...“
In der ersten Instanz ist für Streitigkeiten aus einem Wohnungsmietverhältnis stets das Amtsgericht zuständig, unabhängig vom Streitwert. Eine Berufung gegen Urteile eines Amtsgerichts ist nach § 511 Absatz 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt.
Ob die Berufung gegen ein solches Urteil, das sich mit der Zulässigkeit der Tierhaltung in einer Mietwohnung befasst, zulässig ist, ist nach Auffassung des BGH eine Frage des Einzelfalles.
Der BGH hatte sich mit dem Fall von bereits älteren Mietern zu befassen, die seit mehr als 40 Jahren Hunde in der Wohnung hielten und denen nach dem Tod ihres Hundes die Haltung eines neuen Hundes vom Vermieter verweigert wurde.
Während das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht den Streitwert für die Genehmigung der Tierhaltung noch auf € 1.200 festgelegt hatte – damit war das Urteil berufungsfähig –, reduzierte das Berufungsgericht den Streitwert auf nur € 400 und wies die Berufung der Tierhalter, die in der ersten Instanz die Genehmigung zur Tierhaltung nicht erreichen konnten, als unzulässig ab, da der Gegenstandswert für die Zulassung der Berufung nicht erreicht sei.
Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und den Gegenstandswert auf über € 600 festgesetzt. Das Gericht stellte fest, dass das Interesse eines Mieters an der Tierhaltung grundsätzlich einzelfallbezogen zu bewerten sei. Ein Regelwert könne nicht generell festgelegt werden; das auf die Tierhaltung gerichtete Interesse des Mieters sei individuell zu bewerten. So sei beispielsweise das Alter des Mieters zu berücksichtigen sowie das Gewicht seiner Bedürfnisse und Beweggründe für die Tierhaltung.
Im vorliegenden Fall – es ging wie gesagt um betagte Mieter, die jahrzehntelang Hunde gehalten hatten und sogar eine ärztliche Bescheinigung dahingehend vorlegen konnten, dass die Hundehaltung für ihr psychisches Wohlbefinden von erheblicher Bedeutung sei – rügte der BGH daher die zu niedrige Festsetzung des Gegenstandswertes durch das Berufungsgericht. So erhielten die klagenden Mieter Gelegenheit, die Zulässigkeit ihrer Tierhaltung nochmals vor dem Landgericht überprüfen zu lassen.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Nachbarschaftliche Rücksichtnahme
Der Bundesgerichtshof (Az.: V ZR 121/19, Urteil vom 27.11.2020) hatte sich mit einer lärmintensiven Tierhaltung auseinanderzusetzen.
Die Tierstallung war ohne Baugenehmigung und direkt an der Grenze zum Nachbargrundstück errichtet worden. Der Versuch, nachträglich eine Baugenehmigung zu erhalten, scheiterte, zunächst vor der Baubehörde, dann auch vor dem Verwaltungsgericht: Dieses vertrat die Auffassung, dass die Stallung unter Missachtung des gegenüber den Nachbarn bestehenden Rücksichtnahmegebotes errichtet worden sei.
Die Nachbarin ging nun gegen die Pferdehaltung zivilrechtlich vor. Im Ergebnis hielt der Bundesgerichtshof fest, dass die Nachbarin gemäß § 1004 BGB einen Unterlassungsanspruch dahingehend habe, dass überhaupt keine Pferde mehr in der illegalen Stallung gehalten werden. Der Unterlassungsanspruch, so der BGH, sei schon aufgrund der Verletzung der nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften gegeben.
Während das Gericht der Vorinstanz noch davon ausgegangen war, dass die Tierhaltung nur insoweit zu unterlassen sei, als die Immissionsrichtwerte nach der jeweilig gültigen TA Lärm nicht überschritten würden, bejahte der BGH also den vollständigen Unterlassungsanspruch der Nachbarn bezüglich jeglicher Pferdehaltung aufgrund der Verletzung des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebotes.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Wildtiere und Verkehrssicherungspflicht
Die Verantwortlichen für öffentlich zugängliche Wege und Plätze – also insbesondere Städte, Gemeinden und Landkreise – sind dafür verantwortlich, dass Nutzer sich nach Möglichkeit nicht verletzen. Auch die Anwesenheit von Wildtieren kann dazu führen, dass die verantwortliche Stelle Verkehrssicherungspflichten hat.
Dass diese Pflicht nicht unbegrenzt weit geht, zeigt ein Urteil des OLG Nürnberg (4 W 362/21): Hier scheiterte ein Versuch, von der beklagten Stadt Schmerzensgeld zu erhalten. Die Klägerin hatte sich beim Sturz in ein Biberloch nicht unerheblich verletzt. Sie war der Auffassung, die Stadt sei hierfür verantwortlich, da die notwendigen Schutzmaßnahmen, wie etwa ein Hinweis auf das Loch oder Absicherungsmaßnahmen, nicht ergriffen worden seien.
Hiermit blieb sie durch zwei Instanzen erfolglos: Die beklagte Stadt, die Warnschilder aufgestellt hatte, hätte nach Ansicht des Gerichts keine weitergehenden Maßnahmen treffen müssen. Das Risiko beim Betreten der freien Natur liegt bei dem Betretenden. Im Übrigen sei die Biberpopulation allgemein bekannt, und es seien Schilder aufgestellt. Zudem seien auch Fraßspuren an den Bäumen allgemein sichtbar. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege somit nicht vor.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt ein Urteil des LG Stuttgart (Az.: 15 O 358/04): Bei der beklagten Gemeinde war bekannt, dass ein Schwan, der an einem öffentlich zugänglichen See lebte, ungewöhnlich häufig Menschen angriff. Deshalb hatte die beklagte Gemeinde auch Schilder aufgestellt, die vor dem bissigen Schwan warnten. Allerdings war der später verletzte Kläger auf einem Weg an den See gelangt, auf dem keine Warnschilder standen. Er wurde von dem Schwan angegriffen und verletzt, die Gemeinde musste ihm aufgrund der Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht Schmerzensgeld zahlen. Das Gericht hielt ausdrücklich fest, dass es ausreichend sei, an allen (!) infrage kommenden Wegen Warnschilder aufzustellen. Weitere Maßnahmen, wie z. B. die Umsiedelung des aggressiven Tiers, könnten nicht verlangt werden.
Für derartige Klagen – Grundlage ist die Amtshaftung nach § 839 BGB – ist grundsätzlich auch bei einem niedrigen Streitwert das Landgericht zuständig, es besteht Anwaltszwang.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Tierhaltung im Strafvollzug
Ein Sicherheitsverwahrter, der seine Freiheitsstrafe also bereits verbüßt hatte, aber aufgrund seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit anschließend nicht freigelassen werden durfte, hatte die Haltung eines Kleintiers in der Sicherheitsverwahrung beantragt, was zunächst abgelehnt worden war. Die Behörde hatte dies u. a. mit dem Risiko begründet, dass Tiere Krankheiten übertragen oder Allergien auslösen könnten. Auch sei der Schutz des Tieres nicht ausreichend gewährleistet und das Tiergehege könne als Versteck für verbotene Gegenstände geeignet sein.
Hiergegen wehrte sich der Antragsteller vor Gericht und bekam vom Landgericht Regensburg (Az. SR StVK 654/19) Recht. Ihm wurde die Haltung eines Wellensittichs* gestattet, der vorher auf die üblichen Krankheiten negativ getestet worden war. Ein Sicherungsverwahrter habe das Recht, sein Zimmer individuell und wohnlich auszustatten, dazu gehöre auch, ein Kleintier zu halten, soweit das Zimmer dadurch nicht überfrachtet werde. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit in der Anstalt liege nicht vor, und die Haltung eines Tieres sei gerade bei langfristig Gefangenen oder Sicherungsverwahrten sinnvoll. Die von der Behörde zugrunde gelegten Gefahren für die Gesundheit der Menschen wurden als „geradezu abwegig“ bezeichnet. Auch wenn im Einzelfall, gerade im Strafvollzug und nicht in der Sicherungsverwahrung, aufgrund der beengteren Verhältnisse die Tierhaltung nicht zugelassen worden sei, so seien im Rahmen der Sicherungsverwahrung andere, großzügigere Maßstäbe zu Gunsten des Verwahrten anzuwenden. Wenn ein Wellensittich auf Krankheiten negativ getestet sei, könne nicht von Ansteckungsgefahren für Dritte ausgegangen werden, und das Risiko einer Allergie sei eine fernliegende Gefahr von niedriger Intensität.
Ein Vergleich mit den Bedingungen im eigentlichen Strafvollzug, in dem die Tierhaltung eher verboten werden könne, verbiete sich im Übrigen. Auch sei nicht davon auszugehen, dass durch die Haltung eines Wellensittichs im Vergleich zu sonstigen rechtmäßigen Ausstattungen des Zimmers mehr Versteckmöglichkeiten geschaffen würden. Ebenso seien unter Tierschutz- und Hygienegesichtspunkten keine durchgreifenden Bedenken festzustellen. Insbesondere sei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller das Tier tierschutzwidrig halten werde. Sollte das doch der Fall sein, könne durch die Behörde jederzeit das Veterinäramt eingeschaltet werden.
Das OLG Hamburg (Az. 5 Ws 42/19) hat sogar die Haltung einer Katze durch einen Sicherungsverwahrten im Einzelfall als rechtlich denkbar eingestuft.
RA Dietrich Rössel, Königstein
* Anmerkung der Redaktion:
Fraglich ist – auch wenn dies für das Gericht interessanterweise belanglos war –, ob die Haltung eines einzelnen Wellensittichs angebracht und tiergerecht ist. Das hätte man eventuell gleich mit klären können, als man gerichtlich zugange war …