Aufgetaucht
Notopala sp. „Blueberry“
Neue Schnecken hat man in der Süßwasseraquaristik in letzter Zeit nicht oft gesehen, das Angebot ist fest etabliert. Weitgehend zumindest, und so ist die Blaubeerschnecke eine der wenigen echten Neuheiten – und eine spektakuläre noch dazu. Vor einigen Jahren tauchte das erste Bild auf, seit vergangenem Jahr gehört sie zum regelmäßigen Angebot des spezialisierten Fachhandels. Gefunden wurde die bisher unbeschriebene Art im indonesischen Teil von Neuguinea. Sie erreicht eine Gehäuselänge von kaum 3 cm. Die Farbe des Gehäuses ist variabel rotbraun, hell- oder dunkelbraun, die Windungen sind deutlich voneinander abgesetzt. Die Raspelzunge ist auffällig (kräftig) gebaut. Besonders schön ist der kontrastreich gefärbte Weichkörper, man braucht aber etwas Geduld, bis man ihn zu Gesicht bekommt, insbesondere bei neu eingesetzten Exemplaren.
Viele frisch erhaltene Sumpfdeckelschnecken setzen recht schnell einzelne bis wenige Jungtiere ab, das ist auch bei Notopala sp. der Fall. So freuen sich viele Halterinnen und Halter bereits über Nachwuchs der hübschen Tiere. Bleibt abzuwarten, wie dieser sich entwickelt (bei tropischen Vivipariden sind die Erfolge ganz unterschiedlich), und ob die Art sich ähnlich gut etabliert wie etwa die Pianoschnecke Taia naticoides. Ein eingefahrenes Aquarium, mit langer Standzeit und einem Bodensubstrat mit reichlich Detritus, ist bei solchen Schnecken oft ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Pflege und Vermehrung. Offenbar ist die Art auch gut bei Zimmertemperatur haltbar. Bei mir begnügt sie sich mit Aufwuchs und organischen Resten natürlichen Ursprungs, Trockenfutter wurde bisher verschmäht.
Die ungewöhnliche Art hat die Herzen der Wirbellosenfans jedenfalls in Windeseile erobert. Eventuell suchen die Fänger in Papua angesichts der guten Absatzmöglichkeiten der „Blaubeeren“ künftig sogar nach anderen Schnecken – und fördern weitere spektakuläre Arten zutage, für die sich außer den Aquarianern niemand so wirklich interessiert? Wer weiß, vielleicht ist diese eine Art ja nur die Spitze des Eisbergs …
von Sebastian Wolf
Ein Guppy mit mehr als 100-jähriger Tradition
Etwas verdutzt war ich schon, den Maculatus-Guppy neulich auf einer Aquarienbörse zu Gesicht zu bekommen, denn solche Zuchtstämme schaffen es heute nur ausnahmsweise ins Blickfeld. Dabei ist dieser Guppy durchaus interessant.
Es handelt sich zum einen um einen uralten Guppy-Forschungsstamm anno 1916. Das Maculatus-Merkmal war zudem das erste Gen, das von Guppys beschrieben wurde. Namensgebend ist ein schwarzer Fleck in der Rückenflosse. Die Grundfarbe ist Grau. Besonders schön sind solche Männchen, die auf dem Körper orange Flecken tragen und bei denen die Dorsale blau schimmert.
An sich ist er leidlich hübsch, aber die Konkurrenz mit viel krasseren Farben und vor allem Flossenformen ist einfach zu groß. Meine Exemplare, die ich vor vielen Jahren pflegte, heute aber leider nicht mehr im Bestand habe, stammten ursprünglich aus einem Forschungsinstitut in Tübingen, waren also „Laborguppys“. Sie erwiesen sich als gar nicht einmal so robust und unverwüstlich, wie man denken könnte. Es waren eher kleine, zierlich gebaute Guppys, auch die Weibchen. Die Männchen stellten sich als sehr aktiv hinsichtlich ihres Balzverhaltens heraus.
Ein kleines Artaquarium mit diesem lebhaften Stamm sieht grundsätzlich schon reizvoll aus. Falls eine Vergesellschaftung angedacht ist, dann bitte keine durchsetzungsstarken, größeren Lebendgebärenden dafür in Betracht ziehen! Andere Guppys auch nicht – solche Stämme verdienen es, erhalten zu werden. Aquaristisch dürfte dieser Uralt-Guppy fast nur noch in den spezialisierten Vereinigungen gepflegt und gezüchtet werden. Manchmal wird man aber eben auch auf Börsen noch überrascht.
Sebastian Wolf
Ein Endemit aus Florida: Cambarellus blacki
Die kleinen Krebse der in Mexiko und den USA heimischen Gattung Cambarellus haben gemeinsam, dass sie einerseits nach wie vor sehr beliebt als Pfleglinge, andererseits aber nicht einfach zu bestimmen sind. Man könnte auch sagen: Von nicht vertieft in der Thematik steckenden Laien wie Wissenschaftlern sind sie kaum bis gar nicht unterscheidbar. Jedenfalls gilt das offenbar für einen Großteil der unter verschiedenen Namen gehandelten Arten. Mehr zum Wirrwarr hat Kollege Friedrich Bitter in der AMAZONAS (2020) zusammengefasst.
Aus aquaristischer Sicht hat es für den Hauptanteil der Halterinnen und Halter von Cambarellus sowieso keine Bedeutung, wie es um die Bestimmung und Artzugehörigkeit ihrer Pfleglinge steht. Wer aber tatsächlich eine korrekt bestimmte Art halten und nachzüchten möchte, der muss sich gründlich in die Literatur einlesen, braucht ein Binokular oder kann einen Fachmann bzw. eine Fachfrau bitten, seine Tiere zu untersuchen.
Oder aber, man sucht und erwirbt solche Tiere, bei denen man sicher sein kann, dass der Name auch zutrifft. Das ist der Fall beim „Blacki“, den es schon seit einigen Jahren, aber meines Wissens heutzutage nur von Privatzüchtern und nie im Handel gibt. Cambarellus blacki gehört zweifelsohne zu den selten gepflegten Zwergkrebs-Arten, die Zahl der Halter dürfte überschaubar sein. Der heute vorhandene Bestand geht auf eine Sammeltour vor einigen Jahren im bekannten Verbreitungsgebiet der Art zurück.
Cambarellus blacki stammt aus dem äußersten Westen Floridas und besiedelt dort stehende Gewässer. Im Internet findet man den Trivialnamen „Cypress Crayfish“, das ist wenig präzise, denn weitere Krebsarten kommen ebenfalls in mit Zypressen bestandenen Sümpfen vor. Die wenigen Züchter, die sich der Art annahmen, haben (eingedenk der totalen Vermischung vieler anderer Bestände in der Vergangenheit) sicher darauf geachtet, dass sie diesen Krebs mit bekanntem Herkunftsgebiet artrein erhalten. Somit bietet sich für Interessierte bei dieser Art tatsächlich die Chance, das zu bekommen, „was auch draufsteht“.
Die dunklen Zeichnungselemente von C. blacki zeigen beim genauen Betrachten eine blau-grüne Tönung. Die Intensität der Musterung ist individuell unterschiedlich, so gibt es Exemplare mit wenig Flecken und relativ eintönigem Carapax wie auch Tiere mit sehr kontrastreicher, dichter Zeichnung über den ganzen Körper.
Die Pflegeanforderungen sind analog zu denen der anderen Cambarellus-Arten. Es reichen ein kleines, versteckreich eingerichtetes Becken (für ein Paar 25 l Inhalt), eine nicht zu hohe Wassertemperatur (17–25 ºC) und Leitungswasser, das wirklich garantiert frei von Kupfer ist. Letzteres muss extra deutlich betont werden!
Als Futter kann hauptsächlich totes und verrottendes, pflanzliches Material dienen, gelegentlich ergänzt durch Granulat oder Tabletten. Zwergkrebse sind genügsam und wenig aufwendig in der Pflege, immer nett anzusehen und sogar halbwegs vergesellschaftungsfähig mit kleineren Fischen. Es gibt die Art jedoch wie gesagt nur von spezialisierten Krebszüchtern – die wiederum findet man auf manchen Messen und Aquarienbörsen.
von Sebastian Wolf
Epiplatys ansorgii
Viele der allerschönsten Eierlegenden Zahnkarpfen sind nie im Handel, sondern ausschließlich von Privatzüchtern zu bekommen. Der hier gezeigte Hechtling, den ich unlängst zufällig wieder einmal auf einer Aquarienbörse entdeckte, gehört ebenfalls dazu. Epiplatys ansorgii ist ein „älteres“ Taxon (beschrieben 1911) und stammt aus dem westlichen Gabun. Die Population, aus der die Exemplare auf den Bildern stammen, ist unter der Bezeichnung „Massana GJS 00/2“ verbreitet (das Buchstabenkürzel nennt die Fänger, die Zahl vor dem Schrägstrich das Jahr der Einfuhr, die Zahl danach den Fundort innerhalb der besuchten Biotope jener Exkursion). Laut Killifisch-Freunden liegt der Fangort eben dieser Form nicht weit von der Typuslokalität von E. ansorgii.
Der Hechtling von Massana wird recht groß, die Männchen 7 cm, und erweist sich als unkompliziert in der Pflege – nicht zu hohe Temperaturen, gerne neben Trockenfutter auch Anflugnahrung, außerdem viel Sichtschutz durch Pflanzen. Die Inkubation gelang mir auch im mit etwas Regenwasser verschnittenen mittelharten Leitungswasser in kleinen Schalen, bei Zimmertemperatur dauert es bis zum Schlupf mindestens zwei Wochen.
Die Larven sind recht groß und in der Ernährung und Aufzucht ebenfalls einfach, es braucht jedoch einige Monate, bis sie beginnen, die schöne Färbung der Adulten zu entwickeln. Die großen Männchen faszinieren durch die stahlblauen Körperseiten im Kontrast mit dunkelroten, zu Linien angeordneten Tüpfeln, die Flossen können kräftig gelb-orange werden. Weibchen fehlen das irisierende Blau und die Farbenpracht der Flossen, dadurch sind sie im Unterwasserdickicht bestens getarnt. Eine Art in meisterhafter Farbkomposition, unter Killifisch-Spezialisten halbwegs gut verbreitet, im Handel würden sie bestimmt auch ihre Abnehmer finden. In solchen Fällen liegt das Problem der Nichtverfügbarkeit meist eher darin, dass sich solche Arten nicht annähernd produktiv vermehren lassen.
Text und Fotos von Sebastian Wolf
Über kreative Handelsnamen bei Tylomelania: Ein „neuer“ Donnerkeil und ein Kaiser
Die Diversität der in den Flüssen und Seen Sulawesis endemischen Tylomelania spp. bringt ein Problem mit sich – die Bestimmung ist oft schwierig bis unmöglich. Bei den unter dem Kunstnamen Tylomelania sp. „Flashlight“ eingeführten Tieren vermutet man eine Zugehörigkeit zu den Flussbewohnern, die schon lange als Tylomelania perfecta im Handel sind. Diese laufen oft auch unter dem Trivialnamen Tylomelania „Donnerkeil“, in Anspielung auf das mehr oder weniger stark kalzifizierte Gehäuse – das aber nur bei Wildfängen so auftritt (bei lange gehaltenen Importtieren kann die Ummantelung bröckeln, bei Nachzuchten ist sie nicht vorhanden). Die Zuordnung der „Aquarien-perfecta“ sollte aber vielleicht einmal hinterfragt werden – die im Hobby verbreiteten Exemplare ähneln zumindest hinsichtlich ihres glatten Gehäuses eher T. wallacei. Dagegen ist die „echte“ T. perfecta auffällig skulpturiert (siehe auch die Grafik S. 184 bei Glaubrecht & von Rintelen 2008).
Wie auch immer – die hier abgebildeten Tylomelania sp. „Flashlight“ teilen mit den T. perfecta („ex Handel“) ein verkalktes Gehäuse und kommen wie diese mit niedrigeren Temperaturen (23 °C) zurecht. Ein verendetes Weibchen enthielt insgesamt sechs Embryonen unterschiedlicher Größe. Der anthrazitfarbene Weichkörper ist mit hellbraunen Flecken verziert. Wie der Handelsname entstand, entzieht sich meiner Kenntnis.
Bei einer als Tylomelania sp. „Nero“ angebotenen Art besitzt das Gehäuse keine Patina aus Kalk. Auch die Skulpturierung ist eine andere: Die (individuell verschieden prägnant) hervorstehenden Knötchen auf den Rippen erinnern etwas an T. celebicola und machen sie recht attraktiv. Vielleicht war des Kaisers Krone der Anreiz für den Handelsnamen? Bei 25 °C halten sich die Tiere gut – sind nachts jedoch aktiver als tagsbüber – und es werden regelmäßig Jungtiere abgesetzt. „Tylos“ sind spannende Mollusken, nur die Zuordnung ist ein heilloses Wirrwarr.
Text und Fotos von Sebastian Wolf
Literatur
Glaubrecht, M. & T. von Rintelen (2008): The Species Flocks of Lacustrine Gastropods: Tylomelania on Sulawesi as Models in Speciation and Adaptive Radiation. – Hydrobiologia, 615: 181–199.
Sebastian Wolf