Buchbesprechungen
Das Hin und Her mit den Namen
Schäfer, Frank (2021): Barben. – Bookazine Nr. 12, Aqualog animalbook, Rodgau, 144 S. S., Softcover; ISBN 978-3-939759-48-5; 16,00 € (D), 16,50 (A)
Die kleineren asiatischen Barben sind in einer etwas paradoxen Lage – allerhand Arten gehören zum Standardsortiment der Zoogeschäfte, aber aquaristisch scheint sich fast niemand mehr ernsthaft mit ihnen zu beschäftigen. Am meisten Wind machten sie die letzten Jahre und Jahrzehnte wohl noch dadurch, dass sich vor allem auf Ebene der Gattungsnamen allerlei Änderungen ergaben. Frank Schäfer gibt hierzu eine Übersicht zum Stand der Dinge – fast 120 Seiten sind den Gattungen Striuntius (Linienbarben) Desmopuntius (Streifen-, Rhomben-, Fünfgürtel- und Sechsgürtelbarben), Puntigrus (Sumatrabarben) sowie Barbodes (Flecken-, Clown- und Schwarzbandbarben) gewidmet.
Für taxonomisch interessierte Aquarianer, derer es ja einige gibt, ist das aktuelle Werk aus dem Hause Aqualog wieder äußerst ergiebig ausgefallen. Und die Hintergründe zur mysteriösen Identität der „Aquarien-Sumatrabarbe“ sind im Grunde Allgemeinbildung, in Anbetracht dessen, wie gerne und häufig sie gepflegt wird. Ausführlicheres dürfte es zum Thema Kleinbarben-Systematik-Überblick nicht geben.
Es ist eine durchaus unkonventionelle (oder auch: mutige) Vorgehensweise von Redakteur und Autor sowie Verlag, ganz und gar untrendigen Themen sehr viel Platz einzuräumen. Schön, wenn auch aus der Mode geratene Fischgruppen ein eigenes Nachschlagewerk erhalten!
Sebastian Wolf
Europa kann so schön sein
Glandt, Dieter & Benny Trapp (2022): Die Amphibien und Reptilien Europas. Beobachten und Bestimmen – Quelle & Meyer, Wiebelsheim, 533 S.; ISBN 978-0-3-494-01854-6; 29,95 € (Hardcover)
Im vorliegenden Werk steht der praktische Anspruch im Vordergrund, es ist kein komplettes taxonomisches Werk, das alle bekannten bzw. gültigen Arten Europas (von Skandinavien bis zu den Kanaren, von Spanien bis Georgien) ausführlich beschreibt. Im Vorwort wird erwähnt, dass ein solches „Lexikon“ noch dieses Jahr als Ergänzung erscheint. Das macht bereits Vorfreude, wenn das angekündigte Bestimmungsbuch annähernd so gelingt wie dieses Praxisbuch für zu Hause und unterwegs. Verschiedene Zielgruppen – interessierte Laien, Studenten, Behörden oder Fotografen – dürften einen Nutzen aus dem umfangreichen, aber handlichen Werk ziehen.
Nach einer sehenswerten Vorstellung von Lebensräumen werden Feldmethoden für Amphibien und Reptilien getrennt abgehandelt. Schön ist, dass hier nicht am Umfang gespart wurde – wer es noch ausführlicher braucht, wird die Spezialliteratur bemühen. Dem Methodik-Abschnitt schließt sich die Bestimmung an. Dabei folgt man bei den Reptilien der klassischen Vorgehensweise mittels dichotomer Schlüssel. Die Amphibien werden zusätzlich und sinnigerweise noch getrennt nach Entwicklungsstadium (Eier/Gelege, Larven und fertig entwickelte Exemplare) vorgestellt. Auch Laien sollten hier gut vorankommen bei der Zuordnung. Ein Schmankerl sind die abschließenden Kurzkapitel: Hier werden abweichend gefärbte Exemplare präsentiert, es gibt Anleitungen, wie Feldbeobachtungen notiert und bearbeitet werden – und über QR-Codes am Buchende gelangt man zu Tonaufnahmen einiger Frösche, Kröten und Unken.
Ästhetisch herausragend ist das Werk von der ersten bis zur letzten Seite, dafür sorgen die exzellenten Bilder von Benny Trapp. Ein tolles Buch zum Immer-wieder-Schmökern und Mitnehmen. Und sei es nur, um beim Sonntagsspaziergang am Tümpel endlich einmal herauszufinden, welchen Amphibien-Laich man vor sich hat.
Sebastian Wolf
Fisch à la carte
Quelle & Meyer (2021): Süßwasserfische im Vergleich – Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co., Wiebelsheim; Bestimmungskarte, 10,5 x 21 cm, 8 S.; ISBN 978-3-494-01889-8; 3,95 €.
Die neu erschienene Bestimmungskarte ist offenbar als Ergänzung zum Buch „Die Süßwasserfische Mitteleuropas“ vom selben Verlag gedacht (siehe Aquathek DATZ 5/2021) und soll der Identifikation unterwegs helfen: „Mit dieser neuen Bestimmungskarte lassen sich die am häufigsten vorkommenden Arten zuordnen und bestimmen“, so der Pressetext. Das dürfte trotz der hervorragenden Bilder von Andreas Hartl möglicherweise schwerfallen, es sei denn, man trägt beim Spaziergang am Fluss noch Fischfang-Equipment und Aquarium mit sich herum. Man nenne mich gerne einen Erbsenzähler, aber für eine hilfreiche Bestimmung halte ich briefmarkengroße Bilder für mitunter nicht ausreichend, zumal den Fotos keine weiterführenden Kurzinfos beigestellt wurden. Und ob jetzt Huchen oder Zingel zu den häufigsten Arten gehören, das dürfte anzuzweifeln sein. An sich eine nette Idee, möglichst viele Arten gut greifbar in einer Karte mit Flyer-Format zu verpacken – nur: einen direkten Nutzen als Bestimmungshilfe anzukündigen, ist etwas zu optimistisch.
Sebastian Wolf
Artenschutz für alle (und warum Klappentexte manchmal sehr schön sein können)
Werning, Heiko & Sterblich, Ulrike (2022): Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch – Ein prekäres Bestiarium. – Galiani, Berlin, 240 S.; ISBN978-3869712550; 22,00 € (D); 22,70 € (A)
Den Wildtieren, ob bei uns oder anderswo, geht es nicht gut, sie sind, um bei Werning & Sterblich zu bleiben, in prekärer Lage – das sollte sich mittlerweile auch außerhalb naturkundlich interessierter Kreise ansatzweise herumgesprochen haben. Aufgeben ist aber nicht drin, und wie es um die Hoffnungen und Handlungen steht, so viel wie möglich unserer unersetzbaren Biodiversität zu erhalten, zeigt dieses wunderbar geschriebene Buch, das bereits viel Aufmerksamkeit erfuhr. Es zeugt vom feinen Gespür des Autorenteams, deutliche Worte zu finden, wie etwa gleich in der Einleitung, die dem Beutelwolf gewidmet ist: „[ …] denn die Siedler hatten Schafe mitgebracht und waren nun der festen Überzeugung, die Beutelwölfe würden diese in einem fort reißen und somit gewaltige wirtschaftliche Schäden anrichten. Kommt einem ziemlich bekannt vor, diese Geschichte, seit Wölfe […] uns inzwischen an die zweitausend Schafe jährlich mopsen, sodass nur noch 1.998.000 der zum Schlachten gezüchteten Wolltiere für uns übrigbleiben.“
In 48 Artvorstellungen werden bekannte und weniger bekannte Wirbellose, Fische, Kriechtiere, Säuger und Vögel porträtiert. Ein roter Faden dabei ist die begründbare These, dass auch private Tierhalter einen wichtigen Anteil zum Erhalt von so manchem Kleintier leisten können und dies in Zukunft noch verstärkt tun müssten – sofern man es ihnen gestattet, Legislative und Exekutive haben es in der Hand. Diese Einzeltexte versprühen allesamt einen unverwechselbaren, charmanten Humor, der, das darf man einmal ganz frei heraus sagen, das Werk von ähnlichen Büchern (d. h. solchen zum Thema Biodiversitätskrise) doch ziemlich abhebt. Eine Kostprobe (aus dem Beitrag zum Labyrinther Parosphromenus alfredi und dessen Fortpflanzungsbiologie): „Umschlingungen! Scheinpaarungen! Laichstarre! […] Am Ende kleben dann jedenfalls befruchtete Eier an der Wand. Im Grunde also alles wie beim Menschen.“
Autorin und Autor (Letzterer Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift REPTILIA) sind engagiert im Projekt „Citizen Conservation“, das von Privatleuten gehaltenen, in ihren Lebensräumen hochgradig bedrohten Tierarten gewidmet ist. Die Autorenhonorare gehen komplett an dieses Projekt, der Verlag steuert zu jedem verkauften Exemplar noch einmal einen halben Euro bei. Es wird also nicht nur geredet, es wird auch gehandelt. Eine weite Verbreitung sei dem Werk aber auch deshalb gegönnt, weil es dank der Erzählweise und Sprache gelingt, allgemein verständlich über biologische Besonderheiten der jeweiligen Arten amüsant-aktuell zu berichten. Es ist ein cleverer Zug, dies bereits im Klappentext anzudeuten („Zhous Scharnierschildkröte hat das Social Distancing erfunden …“). Was es mit dem Schnilch auf sich hat, das muss aber jeder für sich herausfinden.
Also unbedingt lesen! Und: Jemand möge bitte ein Exemplar dieses kleinen Meisterwerkes in eine Zeitkapsel legen. Dann fänden die Archäologen der weiter entfernten Zukunft in den Überresten unserer heutigen Zivilisation nicht nur (öko-)logisch kaum erklärbare „Errungenschaften“ wie Laubbläser oder Heizpilze. Sondern auch etwas, das beweist, das sich zumindest manche Menschen im Zeitalter des Hyperkonsums mit der Frage beschäftigten, wie es um ihre Umwelt steht. Vielleicht betrachten uns unsere Nachfahren dann ja auch in einem etwas gnädigeren Licht.
Sebastian Wolf
Fischfang im globalen Zeitalter (und warum Klappentexte sich irren können)
Studer, Billo Heinzpeter (2020): FAIR-FISH – Weil man Fische nicht streicheln kann. – rüffer & rub Sachbuchverlag, Zürich, 154 S.; ISBN 978-3-906304-67-0; 18,00 € (Druck); 13,99 € (E–Book); 20,80 CHF
Der Schweizer Sozialpsychologe und Publizist B. H. Studer widmet sich in diesem Buch dem großen Thema „Nachhaltigkeit im Fischfang“: „Im Rahmen eines seiner Projekte fährt er im Senegal mit lokalen Fischern aufs Meer, um sich ein Bild zu machen, wie die Realität auf See aussieht und wie man sie tierfreundlicher und nachhaltiger gestalten könnte.“ Für diese und andere Kampagnen hat er den Verein fair-fish gegründet, in dem nicht nur ökologische Verträglichkeit und bessere Bezahlung, sondern auch das Tierwohl beim Speisefischfang elementare Zielsetzungen sind.
Studer schlägt durch das Buch einen Bogen: von seiner persönlichen Biografie und ersten Erfahrungen in der Schweiz (etwa dem nie zustande gekommenen Deal mit einer großen Schweizer Handelskette) über Erlebnisse mit Fischern im Senegal, die durch große Fangflotten in prekäre sozioökonomische Verhältnisse getrieben werden, bis zu den Bemühungen von fair-fish, auf nationaler wie internationaler Ebene ein Label einzuführen, das auch das Schmerzempfinden der Nutzfische als Kriterium beinhaltet. Nun sind manche öfter auftauchende Begriffe wie Tierwohl, -leid oder auch diverse Behauptungen (z.B. dass sich die wenigsten Arten für eine Haltung in Aquakultur eignen) nicht unstrittig. Es geht Studer im Hinblick auf das Fischwohl jedoch um die Verbesserung der Haltungsbedingungen und das möglichst schmerzarme Betäuben und Töten, nicht aber um die Abschaffung von Aquakultur, Fang und Verzehr.
Auch die Aquaristik findet kurz Erwähnung: In Zusammenarbeit mit einer Aquarianerin gründete fair-fish eine Beratungsstelle zu einschlägigen Themen, die 2003 allerdings wieder eingestellt wurde, da das Interesse, dieses Angebot wahrzunehmen, laut Autor sehr gering war und Geldmittel für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne fehlten. Die nachfolgend gegründete Beratungsstelle vom Verein Aquarium Zürich übernahm dann diese Aufgabe, und die Auffangstelle für Aquarienfische desselben Vereins kümmerte sich um die Unterbringung und Vermittlung von Fischen, die von ihren Haltern abgegeben wurden.
Das Buch ist kurzweilig zu lesen, auch dank der einfügten „Exkurse“, Grafiken und Bilder, und regt zum Nachdenken an. Bleibt zu hoffen, dass der verunglückte Klappentext dem Lesen nicht im Weg steht. Da heißt es frei heraus: „Zum Untertitel: In Ausnahmefällen lassen sich Fische in Gefangenschaft von ihren BetreuerInnen zwar streicheln (zum Beispiel Karpfen, Kois, Störe, Delfine oder Tintenfische). Grundsätzlich aber ist uns ein emotionaler Kontakt mit Wassertieren nicht über Berührung möglich. (…) Eine emotionale Verbindung setzt (...) ein Wissen über deren uns so ferne Lebensweise voraus.“ Zur emotionalen Festigung der Tier-Mensch-Beziehung auf die Wissenserlangung hinzuweisen und gleichzeitig einen guten Teil der Systematik des Tierreiches revolutionär neu zu ordnen, ist durchaus mutig und unkonventionell ... Freude am Detail besteht auch, denn wenn schon Delfine und Tintenfische Fische sind, so wird immerhin auch noch auf die Unterscheidung zwischen Karpfen und Koi Wert gelegt! Und warum aus AquarianerInnen und TierpflegerInnen sogenannte BetreuerInnen werden, erschließt sich mir nicht, ist aber vielleicht sprachlichen Besonderheiten in der Deutschschweiz geschuldet.
Wer auch immer im Verlag diesen Klappentext hervorgezaubert hat: Man hätte ihn wohl auch einer/einem interessierten PrimarschülerIn zum Lektorat vorlegen können – dann wären die Systematik-Fehler vielleicht entdeckt worden.
Sebastian Wolf