Buchbesprechungen
Inia geoffrensis, der Casanova
Montgomery, Sy (2020): Der Ruf der rosa Delfine. – Eden Books, Hamburg; 1.Auflage, 271 S.; ISBN: 978-3-95910-294-0; 24,00 €
Es sind durchaus mythische Zeitgenossen, denen Sy Montgomery ihr Buch widmet. Die rosafarbenen Delfine des Amazonas sind – wie sollte es auch anders sein – in einer bedrohlichen Situation. Die Autorin ist von diesen Flussbewohnern fasziniert und begibt sich auf die Reise in deren Lebensräume. Die Bemühungen, ihnen zu folgen, laufen jedoch anders ab, als sie es erhofft hatte, und so ist es auch eine Erzählung über diverse Begegnungen mit Natur und Mensch.
Die Reise führt zu den Einwohnern am Amazonas. Dort erfährt man, was die Menschen mit den Delfinen erlebt haben und welche Fähigkeiten man diesen nachsagt – die Geschichten reichen zurück in die Vergangenheit. Es wird z. B. berichtet, dass Menschen sich in Delfine verwandelt hätten und mit ihnen unter Wasser lebten. Zu bestimmten Anlässen tauchten die Delfine bei den Menschen auf (in Gestalt attraktiver junger Männer, um junge Damen zu verführen und zu schwängern) und verschwänden wieder.
Die Autorin tritt auch physisch in Kontakt zu Delfinen. Auf ihrer Reise sieht sie diese an verschiedenen Stellen. Wenn es möglich ist, dann schwimmt sie mit ihnen.
Ich habe durch dieses Buch eine Menge von den Menschen vor Ort und ihrer Lebensweise in und mit der Natur erfahren. Es ist eine Liebeserklärung an die eleganten Delfine mit dem rosa Schimmer. Für mich ist es die erste Begegnung mit diesen besonderen Geschöpfen. Dazu hat auch der nett gestaltete Bucheinband beigetragen. Schlau sieht es aus, das Gesicht vom rosafarbenen Delfin.
Elfriede Ehlers
Urzeitkrebse für Jung und Alt
Kunz, Kriton (2022): Entdecke die Urzeitkrebse – Triops, Feenkrebse & Co. – Natur und Tier - Verlag, Münster, 64 Seiten + 16 Seiten Online-Extra, durchgehend Farbfotos und Illustrationen, Hardcover; ISBN: 978-3866595033; 16,80 €)
„Urzeitkrebse“: Bei älteren Jahrgängen ist dieser Begriff unweigerlich mit den Gimmicks der Yps-Hefte verknüpft. Auch ich, Jahrgang 1970, hatte so die erste Begegnung mit dieser Tiergruppe, als Aquarianer dann weiterhin als günstiges Fischaufzuchtfutter von Firmen wie Hobby und JBL. Was hier verkauft wurde, waren allerdings ausschließlich Artemien, Salzkrebschen aus den Salzseen der USA.
Aber diese Tiergruppe hat weit mehr zu bieten, und als um die Jahrtausendwende erstmals auch Süßwasser-Urzeitkrebse, zuallererst Triops-Arten, später auch verschiedene Feenkrebse und Muschelschaler, zu erwerben waren, verfiel ich diesen spannenden Krebsen. Allerdings gab es lange Zeit dazu nur wissenschaftliche Artikel, dagegen kaum allgemeinverständliche Literatur. Das hat sich zum Glück in der letzten Zeit etwas geändert.
Mit dem Buch „Entdecke die Urzeitkrebse – Triops, Feenkrebse & Co“ hat „Urzeitkrebs-Fan“ Kriton Kunz ein tolles Kindersachbuch herausgebracht, das auch mich als Erwachsenen begeistert! Auffällig ist auf den ersten Blick die sehr ansprechende Bebilderung mit exzellenten Fotos. Beeindruckt hat mich jedoch vor allem das umfangreiche Wissen des Autors, das deutlich zeigt, dass hier nicht jemand „mal eben ein schönes Buch über Tiere“ gemacht, sondern dass Kunz jahrelang Informationen recherchiert hat. Vieles hat auch mich staunen und das Buch sehr kurzweilig werden lassen.
Mir als auch wissenschaftlich interessiertem Urzeitkrebse-Fan wären zwar an vielen Stellen noch mehr Infos und Quellenangaben wünschenswert gewesen, was jedoch Kinder vermutlich überfordert hätte – schließlich ist der Band in einer Kindersachbuchreihe erschienen und wird dem auch gerecht. Auf jeden Fall ist dieses Buch als Überblick für jeden, der sich für Groß-Branchiopoden, wie diese Tiergruppe auch genannt wird, interessiert, sehr empfehlenswert!
Zu meiner großen Freude gibt es im Buch noch einen Link zu einem Extra-Kapitel im Internet, in dem nicht nur jedem deutschen Namen der im Buch erwähnten Urzeitkrebse auch der entsprechende wissenschaftliche zugeordnet ist, sondern das auch eine sehr gute Anleitung zur Zucht bietet. Es ist ein Fakt, dass mittlerweile verschiedene Arten von Urzeitkrebsen von einigen Firmen in teuren Sets für Kinder angeboten werden. Aber ebenso ist es leider wahr, dass damit, wie Kunz hier betont, in den allermeisten Fällen der Erfolg ausbleibt. Am Ende gibt es dann enttäuschte Kinder und rausgeschmissenes Geld. Der Autor zeigt daher in seinem Extra-Kapitel Wege auf, wie man mit relativ geringen Kosten maximalen Erfolg erzielen kann. Natürlich handelt sich bei Urzeitkrebsen um Lebewesen, und eine hundertprozentige Erfolgsgarantie kann keiner geben, aber auch hier vermag ich zu bestätigen, dass der Autor eindeutig Erfahrung hat.
Alles in allem handelt es sich beim hier besprochenen Band der Entdecke-Reihe um ein – nicht nur für Kinder! – sehr empfehlenswertes Buch, das seinen Preis mehr als wert ist. Selbst jemand, der sich schon länger mit Urzeitkrebsen beschäftigt, wird hier einiges Neues entdecken!
Jan Venzlaff
Zeit für Narrative
Honigs, Sandra, Meßing, Marc & Pelzer, Beate (2022): 111 Amphibien, die täglich unsere Welt verbessern. – Emons Verlag, Köln, 240 S., Broschur; ISBN 978-3-7408-1274-4; 18,00 € (D), 18,60 € (A)
Wie bringt man der Allgemeinheit, die hinsichtlich naturwissenschaftlicher Themen vielleicht unbedarft ist, Aspekte wie Artenvielfalt oder deren Schutz nahe? Ein mittlerweile öfters gewählter Ansatz sind kurze Erzählungen, die möglichst im Gedächtnis bleiben sollen. Eben diesen Versuch unternehmen die Autoren mit ihren 111 Amphibien – alle mit Text und Bild vorgestellt –, und er gelingt ihnen gut.
Nun mag man bei manchen (verkaufsstrategisch gewählten) Buchtiteln geteilter Meinung sein, die vorgestellten Amphibien müssen auch gar nicht unsere Welt jeden Tag besser machen – es ist erst einmal schön, dass es sie überhaupt gibt. Manche waren bzw. sind dann der Menschheit tatsächlich noch auf die eine oder andere Art von Nutzen, und alle erfüllen sie sowieso ihre Funktionen in dem Ökosystem, in dem sie (natürlicherweise) vorkommen. Einige Spezies sind auch gewissermaßen Fluch und Segen zugleich – Beispiel Krallenfrosch, aber daraus macht das Buch keinen Hehl. Es liefert in kurzweiliger Sprache eben die Informationen, welche die jeweilige Art von den anderen abheben.
Interessant ist die Artenauswahl: Neben solchen, die zumindest Terrarianern geläufig sind, finden sich auch echte Seltenheiten, etwa Ansonia latidisca oder Andinobates dorisswansonae. 111 Arten (bzw. 110, denn zwischendurch hat man sich einen Spaß erlaubt) sind eine ganze Menge. Wer gründlich liest, wird sich aber an die eine oder andere Erzählung erinnern.
Übrigens: Wie viele Amphibienarten es weltweit gibt, wird vielleicht allgemein unterschätzt. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen (Oktober 2022) waren es bereits über 8.500. Für manche davon dürfte es bald keine weiteren Narrative mehr geben, denn sie werden weitgehend unbeachtet verschwinden.
Sebastian Wolf
Kunstwerke mit Glas
Lange, Jürgen & Meuser, Natascha (Hrsg.) (2022): Aquarienbauten. Handbuch und Planungshilfe. – DOM Publishers, Berlin, 464 S., 900 Abbildungen; Hardcover mit Gummiband; ISBN: 978-3-86922-812-9; 128,00 €
Kennen Sie Alkoholarien? Derartige Aquarien enthielten anstelle von Wasser klaren Hochprozentigen, worin konservierte Meeresorganismen mit Substrat und Algen ausgestellt waren. Ein „Schnapsleichen“-Becken sozusagen. Der Griff zum Alkohol hatte pragmatische Gründe: Die Unterwasserwelt, die damals schwer zu beschaffen und am Leben zu erhalten war, konnte so dennoch einem Publikum vorgestellt werden. Seither haben sich die Ansprüche drastisch gewandelt, heute wollen große Aquarien durch eine einzigartige Architektur, Gestaltung und Kontextualisierung herausstechen.
Modernen und historischen Schauanlagen haben die Herausgeber Lange (ehemals Direktor des Zoos Berlin und des Berliner Aquariums) und Meusser (Architektin, Hochschuldozentin und Verlegerin) ein umfassendes Buch gewidmet. Und eine unglaubliche Menge an Information geliefert: Der erste Buchteil („Theorie, Geschichte und Typologie von Aquarienbauten“) behandelt die Entwicklung der Schauaquaristik, einen Einblick in didaktische Konzepte und Grundlegendes zu den Möglichkeiten der Präsentation sowie der Planung des Spezialfalls Aquarien-Architektur. Der zweite, deutlich längere Teil („Bauten und Projekte“) stellt 60 historische und moderne Aquarienanlagen mittels Text, Luftbildern, Aquarienaufnahmen, Lageplänen, Grundrissen und weiteren Illustrationen vor. Dabei wird einer chronologischen Einordnung gefolgt – den Anfang macht das Fish House (London, 1853), am Ende steht das AQUATIS (Lausanne, 2017). Für waschechte Fischler ist das Faszination pur.
Man kommt als „Normal-Aquarianer“ beim Lesen zudem nicht umhin, zu bemerken, wie sehr sich die eigene Anlage von den modernen, im Buch vorgestellten Einrichtungen unterscheidet, und zwar nicht nur hinsichtlich der Beckengrößen. Wir Aquarianer betreiben zu Hause seit eh und je meist ein „Konzept“, das früher bei Schauaquarien ebenfalls üblich war, in diesen seit Langem aber als völlig veraltet gilt: nämlich eine bloße Aufstellung mehrerer Becken gleicher oder ähnlicher Abmessungen neben- oder übereinander (Meuser nennt dies „Systematisierung von Unterwasserwelten“). Es klaffen Welten zwischen der Heim- und der Schauaquaristik, aber vielleicht sehen wir uns deswegen auch so gerne öffentliche Einrichtungen an. Lange & Meuser schließen eine Lücke im Buchmarkt: das, was bei der Planung und Umsetzung von Aquarienbauten üblicherweise der Allgemeinheit vorenthalten bleibt, wird nun einmal umfassend und auf dem neuesten Stand der Dinge vorgestellt.
Das Ausnahmewerk ist darum auch für passionierte Aquarianer interessant, die sich über die eigenen vier (Glas-)Wände hinaus von ansprechenden Schauaquarien begeistern lassen, die der Blick hinter die Kulissen interessiert und die mehr über den historische Kontext der Aquaristik und deren öffentlicher Darstellung wissen möchten. Das Cover mag dezent wirken, der Inhalt sucht seinesgleichen. Die Gestaltung ist äußerst ansprechend, die Sprache geschliffen, die Abbildungen sind makellos schön. Meines Erachtens das Buch des Jahres. Vermerken Sie es vielleicht schon einmal auf Ihrer Weihnachts-Wunschliste.
Sebastian Wolf
Auf dem Boden der Adria
Melzer, Roland R., Brenzinger, Bastian, Lehmann, Tobias, Makovec, Thimoir, Mavrič, Borut, Meyer, Roland, Staggl, Manuel A. & Heß, Martin (2022): Marine Microworlds. Excursions to the Bottom of the Adriatic Sea. – Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, 320 S SBN: 978-3-89937-273-1; 68,00 €
Wer verstehen will, wie übermäßige menschliche Eingriffe marine Lebensgemeinschaften beeinträchtigen oder gar an den Rand des Verschwindens bringen, muss nicht unbedingt um die halbe Welt fliegen – es reicht ein Blick ins Mittelmeer. Die Autoren des Buches, ein Team aus Meeresbiologen und Unterwasserfotografen, haben diesen Ansatz gewählt. Und sie verdeutlichen mit ihrem Werk, dass bei aller Zerstörung auch Hoffnung besteht. Speziell dort, wo man das Meer Meer sein lässt und schädliche Handlungen gleich welcher Art untersagt oder zumindest weitgehend einschränkt. Dann schaffen es Biozönosen auch, sich zu erholen, wovon man sich in dem bildlastig ausgestatteten Werk überzeugen kann. Die Fotos entstanden etwa im Meeresschutzgebiet des Brijuni-Nationalparks, der laut Autoren seit Jahrzehnten streng geschützt wird.
Der einleitende Teil ist sehr kurz ausgefallen, neben ein paar einordnenden Gedanken zum Zustand der Adria und einer knappen Übersicht über benthische Lebensgemeinschaften folgt die ausführliche Vorstellung der Bewohner, angefangen bei den Algen und dem Plankton über wirbellose Gruppen hin zu den Knochenfischen, Haien und Rochen, insgesamt über 200 Arten. Die Texte sind eher komprimiert und bieten ausgewählte Fakten zu den jeweiligen Organismen, den meisten Raum nehmen die (insgesamt an die 400) Bilder ein. Im Grunde ist das Werk lesenswert für alle Naturinteressierten, auch für diejenigen, die nicht tief in der Materie stecken. Damit hoffentlich die Botschaft hängen bleibt: Noch ist es nicht zu spät!
Sebastian Wolf