Aufgetaucht
Abgetaucht …?
Ein Kommentar von Sebastian Wolf
Am 26.10.2021 brachte der Bundesrat eine Empfehlung heraus (Änderungsantrag 697/1/21; siehe auch vda-online.de und bna-ev.de für weitere Infos), einem Antrag des Landes Schleswig-Holstein entstammend. Diese Empfehlung sah „ein grundsätzlich umfassendes Verbot von Importen freilebender Wildtiere“ vor. Die Begründung erfolgte nicht nur mit der immer gleichen, fachlich falschen Leier über „schwierige Anforderungen an eine artgerechte Haltung“, nein, offenbar nutzte man die Pandemie nunmehr auch als Hilfsmittel, um die ganz schweren Geschütze aufzufahren und unser aller Wohlbefinden betreffende Argumente zu finden. Denn es geht um nichts Geringeres als die „Gefährdungen des Menschen (unmittelbar und mittelbar)“, weil: „Durch die Möglichkeit des Imports von Wildfängen aus Drittstaaten steigt die Gefahr weiterer Zoonosen, zum einen durch den dadurch geschaffenen Anreiz, die Tiere aus ihren natürlichen Habitaten zu entnehmen und damit potentiell infektiöse Mensch-Wildtier-Kontakte in Kauf zu nehmen, zum anderen durch den dadurch bewirkten legalen Transport über weite Strecken, die Einfuhr und den Handel mit den entnommenen potentiell infektiösen Tieren.“ Der Rest der Menschheit muss also vor uns Vivarianern beschützt werden, nicht, dass die nächste Pandemie ansonsten auf unser Konto geht. Bisher war ich der abstrusen wissenschaftlichen Ansicht, vor allem Lebensraumzerstörung und -fragmentierung, Essgewohnheiten und die Hypermobilität unserer Zeit schaffen erst gute Konditionen für Viren et al. (und auch die Forschung an diesen birgt grundsätzlich ein gewisses Risiko) – zum Glück weiß die Politik es wieder einmal besser.
Aber davon einmal abgesehen: Es ist wohlgemerkt von Zoonosen, nicht von seuchenartig verlaufenden Zoonosen die Rede. Würde man die Begründung(en) also weiterdenken, wäre dann nicht ein generelles Haustier-Verbot konsequenter? Möglicherweise sind nicht nur frisch importierte Panzerwelslein eine Gefahr für Leib und Leben, sondern z. B. auch Nachbars Mieze, Stichwort: Toxoplasmose. Und so, wie unsere freiheitlich veranlagten Fellträger in den Eingeweiden ihrer Wildtier-Beute wühlen, wer weiß, was sie dabei noch alles an weiteren Erregern aufnehmen … Ferner stellt mit dieser Zoonose-Argumentation prinzipiell jede Handlung, bei der Menschen in Kontakt mit Tieren oder deren Hinterlassenschaften geraten können, eine Gefahr dar. Warum deshalb noch kein Berufspolitiker darauf gekommen ist, Waldspaziergänge zu verbieten, ist mir ein Rätsel. Andererseits: Diese spezialisierte Verbots-Meierei ist irgendwie auch erstaunlich, da man es in der autochthonen Legislative eigentlich gar nicht so sehr mit Einschränkungen hat (Tempolimit? Um Himmels willen! Das ginge nun wirklich zu weit).
Der Änderungsantrag war für die Bundesrats-Mitglieder nicht mehrheitsfähig. Trotzdem hinterlässt auch diese Geschichte ein flaues Gefühl, ein erleichtertes Aufatmen blieb weitgehend aus. In vielen Jahrzehnten wurden in der DATZ neu eingeführte Arten vorgestellt, zuletzt in der Rubrik „Aufgetaucht“. Die neu eingeführten Taxa waren häufig Wildfänge. Wenn diesen etwas immer Verruchteres anhaftet, sollte man sich nicht auch anpassen? Vielleicht stellen wir zukünftig besser das Baumarkt-Fischsortiment in wiederholender Abfolge vor und nennen unser „Aufgetaucht“ ab dann „Immer da“.
Witzig ist das alles schon länger nicht mehr. Die schärfsten Kritiker von Aquaristik & Terraristik würden (käme eines Tages tatsächlich ein umfassendes Wildfang-Einfuhr-Verbot) wohl kaum ihren Frieden mit diesen Heimtiersparten machen und eine „bereinigte“ Vivaristik in welcher Form auch immer fördern. Sondern eher weiter daran arbeiten, beide ganz abzuschaffen. Diesen Eindruck wird man zumindest nicht los, auch wenn von Politikerseite aus beteuert wird, dass niemand die Absicht hat …
Es kann einem angst und bange werden, wenn man daran denkt, was den (an derartigen Verbotsvorschlägen) Beteiligten als Nächstes im Kopf herumspukt. Prosit, 2022!
Sinibotia robusta
Unsere Rubrik „Aufgetaucht“ behandelt dieses Mal einen Bodenbewohner mit Bezug zum Titelthema: Vertreter der aus sieben Arten bestehenden Schmerlengattung Sinibotia trifft man heutzutage selten im Handel an, dabei wären sie eine Bereicherung – nicht zu groß, nett gefärbt und unkompliziert zu halten, Frischwasser ist wichtig, eine Heizung überflüssig. Sie stammen halt aus Fernost (der wissenschaftliche Gattungsname deutet es an) und nicht aus Südostasien oder Indonesien, was die geringe Verfügbarkeit erklären dürfte. Das abgebildete Tier von Sinibotia robusta entdeckte ich in einem Fachgeschäft in einer Gruppe Botia histrionica. Von den Vertretern dieser Gattung lässt sich Sinibotia bei genauem Hinsehen dadurch unterscheiden, dass sie nur sechs Barteln – zwei Paare am Ober-, ein Paar am Unterkiefer – besitzt (Botia hat vier Paare).
Sinobotia robusta stammt aus dem südlichen China und ist verhältnismäßig hochrückig im Habitus. Definierend sind zudem die Musterung der Schwanzflosse (die schwarzen Streifen entlang der Außenränder formen eine Pfeilspitze bzw. ein sehr breites V, was auf dem Bild aber nur ansatzwesie erkennbar ist) und die senkrechte, dunkle Querbänderung des quittengelben Körpers. Diese löst sich während des Wachstums in der Mitte jedes Bandes von der Bauchseite aus beginnend auf, wodurch die Bänder zweigeteilt werden.
Mein einzelnes Exemplar hat sich in einer diversen Schmerlen- und Barbengemeinschaft von Anfang an wohl gefühlt und absolut friedlich verhalten. Es kommt auf eine Länge von gerade einmal 10 cm, in der Literatur werden teils an die 20 cm angegeben. Die Schneckenvertilgungs-Qualitäten sind beachtlich, innerhalb der ersten vier Wochen zählte ich mehr als 200 leere Posthornschneckengehäuse.
von Sebastian Wolf
Pethia gelius und Aplocheilus blockii – Winzlinge aus Indien
In der vergangenen indischen Fischfangsaison wurden wieder einmal zwei liebenswerte Kleinarten eingeführt, die altbekannt sind, aber nie so richtig „durchstarteten“. Schade, denn die adrett gefärbten Tiere stellen in der Pflege geringe Ansprüche.
Die Zwergbarbe Pethia gelius ist äußerlich den verwandten P. aurea und P. canius sehr ähnlich. Diese Arten eint ein für die Gattung ungewöhnliches, markantes Farbmuster aus schwarzen Flecken. Untereinander lassen sie sich bei genauerem Blick durch eine Kombination an Merkmalen unterscheiden (Musterung, Verhältnis Körperhöhe zu -länge, Morphologie der dorsalen Flossenstrahlen). In der Größe gibt es Unterschiede zwischen den Populationen, wobei die korrekte Zuordnung aufgrund der Ähnlichkeit der Arten und der weiten Verbreitung nicht leichter wird.
Pethia gelius ist über das östliche Tiefland des Indischen Subkontinents und in Bangladesch verbreitet, die Importe stammen wohl aus Westbengalen, dem nördlichen Verbreitungsareal, und gedeihen hervorragend bei schwankenden Wassertemperaturen in einem heizungslosen Becken. Je nach Beleuchtung zeigen sie dann einen herrlichen Gelbton bis hin zu einem ganz zarten Grün. Die größten meiner Exemplare sind kaum 2,5 cm lang (GL), das scheint das Ende der Fahnenstange zu sein. Eine maßvolle Fütterung ist sinnvoll, die gierigen Fresser nehmen ansonsten schnell unförmig zu. Sie schätzen definitiv sauberes Wasser. Bemerkenswerterweise fühlen sie sich in einem größeren Becken nicht automatisch wohler und sind darin nicht weniger scheu – entscheidend ist eine dichte Bepflanzung, vielleicht auch ein paar Beifische. Zu kleine Becken sind für die äußerst lebhafte Art allerdings auch nicht gut, und 54 l sind (auch im Hinblick auf die gesetzlichen Mindestanforderungen) die Grenze nach unten. Für die Fortpflanzung begibt sich P. gelius in umgekehrte Lage und laicht mit dem Bauch nach oben an Blättern, wie es auch Keilfleckbärblinge und Hochflossenbarben tun.
Der Zwerghechtling (oder auch Madras-Hechtling) Aplocheilus blockii hat eine lange Aquarienhistorie hinter sich und begeistert mit seinen grünlichen Glanzschuppen. Auch diese Art hat Pendants ähnlicher Gestalt – geringe Unterschiede in der Färbung und im Verbreitungsgebiet (in Südwest-Indien und auf Sri Lanka) werden teils zur Begründung herangezogen, A. blockii, A. kirchmayeri und A. parvus als gültige Arten zu betrachten, andere Autoren ordnen die beiden Letztgenannten dagegen als Subspezies von A. blockii ein.
Bei der Endgröße gibt es sehr unterschiedliche Angaben von 2,5–5 cm, ebenso hinsichtlich der Haltung, Vermehrung und idealen Wasserwerte – von „nicht ganz leicht“ bis „problemlos“, von „leicht salzig“ bis „leicht sauer“ ist alles vertreten. Gut möglich, dass diese scheinbar widersprüchlichen Angaben schlichtweg durch die große Bandbreite der Lebensräume je nach Fundort begründet sind. Wie auch immer, bei mir haben sich die noch nicht ausgewachsenen Tiere (die bei Erhalt kaum 2,5 cm GL aufwiesen) bisher als ganz problemlos und wenig scheu herausgestellt – das Bild ist allerdings im recht kahlen Quarantäneaquarium bei Zimmertemperatur (23 °C) entstanden, die mögliche Farbenpracht wurde da nur ansatzweise sichtbar.
Simpel gestaltet sich die Ernährung: Anders, als aufgrund der Gestalt zunächst zu vermuten ist, nehmen die Tiere auch Futter aus den unteren Wasserschichten und picken selbst am Boden herum. In einem größeren Becken dürften sie sehr unauffällig erscheinen. Für ein kleineres, verkrautetes und gut abgedecktes Aquarium eignen sie sich daher am besten. Ein „alter Aquarienfisch“, der „Blockii“, der sich ausgezeichnet in die moderne Aquaristik einfügt!
von Sebastian Wolf
Badis kyar
Blaubarsche haben ihre eigene, eingeschworene Fangemeinde – zu Recht, denn wer sie einmal kennengelernt hat, weiß um ihre Attraktivität. Das Farbwechselvermögen, die an sich einfache Haltung und die gute Vermehrbarkeit machen sie zu interessanten Aquarienfischen.
Badis kyar stammt aus einer höheren Lage in Myanmar und wurde bereits vor einigen Jahren erstmalig eingeführt, etabliert werden konnte die ungewöhnliche Art mit dem auffällig lang gestreckten Habitus allerdings nicht.
Anfang des Jahres kam nun ein kommerzieller Import, der aus schon recht großen Tieren bestand, kurz danach trafen weitere Lieferungen mit kleineren Exemplaren ein. Die großen Tiere stellten sich aufgrund diverser äußerer Infekte als nicht ganz unproblematisch heraus. Vier Fische konnte ich stabilisieren, darunter glücklicherweise auch ein Weibchen. Nach zwei erfolglosen Anläufen mit einem großen Männchen (6,8 cm Gesamtlänge) und dem deutlich kleineren Weibchen funktionierte die Vermehrung in einem separaten Aquarium dann mit einem kleineren (und umgänglicheren) Männchen, und so schwimmen hier nun die ersten Jungtiere.
Ich konnte in der Literatur und im Internet keine Angaben über eine gelungene Nachzucht finden, einzig Hinweise darauf, dass diese bisher noch nicht erfolgt war. Möglich also, dass es sich um die erstmalige Vermehrung handelt.
Der Nachwuchs unterscheidet sich in der Aufzucht nicht von den anderen Gattungsvertretern, die Kleinen erscheinen mir allerdings ziemlich versteckt lebend. Zu einem späteren Zeitpunkt lässt sich noch ausführlicher über die Art berichten, die ein bemerkenswertes Farbmuster besitzt. Schön jedenfalls, dass es auch solche ungewöhnlichen Spezies nach wie vor in den Handel schaffen. Myanmar steckt in äußerst unruhigen und blutigen Zeiten – denkbar, dass dies über kurz oder lang auch Auswirkungen auf die Exporte aus diesem (auch in aquaristischer Hinsicht) faszinierenden Land hat.
von Sebastian Wolf
Crenichthys baileyi „Ash Spring“
Alle Jahre wieder kommt die Zeit der Hochlandkärpflinge. In der aquaristischen Praxis hat sich gezeigt, dass diese vorwiegend aus dem Hochland Mexikos stammenden Tiere zur dauerhaften Gesunderhaltung in der warmen Jahreszeit im Freiland gepflegt werden sollten, wo sie schwankenden Temperaturen ausgesetzt sind. Ganzjährig im Zimmer unter gleichförmigen Bedingungen gepflegte Tiere werden hinfällig und leben nicht lange. Da diese Fische aber nicht winterhart sind, wird im Herbst abgefischt, die Züchter bringen dann die Früchte des Zucht-Sommers in den Handel und behalten nur einen kleinen Zuchtstamm, den sie im Zimmer überwintern.
Zu den Sommerfrüchten von 2020 zählt auch eine eierlegende Art dieser sonst lebendgebärenden Fischgruppe, nämlich Crenichthys baileyi. Wie leider viele Hochlandkärpflinge ist auch diese Art in der Natur hochgradig bedroht, sie kommt nur in wenigen, sehr lokalen Beständen vor. Umweltverschmutzung, übermäßige Wasserentnahme sowie ausgesetzte Fischarten bedrohen die kleinen Vorkommen. Der gelegentliche Fang von Exemplaren zur Aquarienhaltung hat auf die Bestände keinen negativen Einfluss, im Gegenteil: Der Enthusiasmus der Aquarianer hat schon so manche Population vor dem Verschwinden bewahrt. Da die Exemplare verschiedener lokaler Populationen unterschiedlich aussehen, wird in Züchterkreisen peinlich darauf geachtet, sie reinblütig zu halten. Nur so kann an ein eventuelles Auswildern nach der Eliminierung der Umstände, die zum Aussterben der Tiere in der Natur führten, gedacht werden.
Crenichthys baileyi ist ein besonderer Hochlandkärpfling, auch, weil er nicht in Mexiko, sondern im US-Bundesstaat Nevada vorkommt. Es gibt dort fünf Populationen, die nicht in Kontakt zueinander stehen und als Unterarten beschrieben wurden. Die hier gezeigten Tiere, die Aquarium Glaser anbieten konnte (selbstverständlich Nachzuchten), gehören zur Nominatunterart C. b. baileyi. Die Urahnen der Tiere stammten aus Ash Springs.
Die Art wird mit etwas über 3 cm Länge geschlechtsreif, die Maximallänge liegt bei etwas über 6 cm (Standardlänge ohne Schwanzflosse). Jungtiere von C. baileyi „Ash Springs“ sind unregelmäßig getupft, später entwickeln sich zwei Längsbänder, die bei den Weibchen unterbrochen bleiben, während ausgefärbte Männchen zwei kräftige, parallele Streifen längs des Körpers zeigen. Balzaktive oder aggressiv gestimmte Männchen werden fast schwarz, die Binden verschwinden. Der wichtigste erkennbare Geschlechtsunterschied ist, dass die Männchen eine Zeichnung in den Flossen haben, die Weibchen nicht.
Es sind Allesfresser, die leicht mit Lebend-, Frost- und Trockenfutter zu ernähren sind. Man bietet ihnen möglichst große, reichlich bepflanzte Aquarien. In der Natur sinkt die Wassertemperatur nur selten unter 20 °C, da C. baileyi Thermalquellen bewohnt. Im Aquarium haben sich zeitweise deutlich niedrigere Temperaturen als unschädlich erwiesen.
von Frank Schäfer